Wutrede eines Lehrers
Ich bin Volksschullehrer.
Ich habe einen sehr schönen Beruf und die Arbeit mit meinen SchülerInnen
macht mir große Freude.
Ich glaube, ich bin ein guter Lehrer.
Natürlich kann ich an meiner Arbeit immer noch etwas verbessern.
Wenn ich aufhöre zu versuchen etwas besser zu machen,
bin ich hoffentlich alt genug um in Pension zu gehen.
Ich lasse mir meinen Beruf, meinen Arbeitsplatz und vor allem meine SchülerInnen nicht schlechtreden.
Ich habe keinen überbezahlten Halbtagsjob.
Ich arbeite, nicht für alle sichtbar, anders als andere
und jedenfalls in ausreichendem Maße.
Ich brauche mich dafür weder zu schämen noch vor irgendjemandem zu
rechtfertigen.
Die dauernden Unterstellungen von Gesellschaft und Dienstgeberseite
eine faule Sau zu sein, zermürben und behindern mich in meiner
Arbeit.
Die Schule ist ein Ort, an dem Kinder gemeinsam etwas lernen
sollen - ein Arbeitsplatz.
Wer arbeitet schon gern in einer Firma, von der gesagt wird, sie sei
schlecht organisiert, ineffizient und der Chef sei sowieso ein
Trottel?
Hört endlich auf mit eurem Geschwätz, ihr Bildungspopulisten!
Schule ist toll, viel toller als euer bescheidenes Leben da draußen.
Meine Kinder integrieren Flüchtlingskinder ohne auch nur darüber
nachzudenken.
Sie streiten bis die Fetzen fliegen, entschuldigen sich und können
wieder zusammenarbeiten ohne sich ewig böse zu sein.
Sie erkennen Behinderungen nicht immer als solche und behandeln
diese MitschülerInnen nicht mit mitleidiger Nachsicht, sondern
begegnen ihnen auf Augenhöhe, in ihrer Sprache, mit ihren
Ausdrucksmöglichkeiten, inklusiv.
Sie helfen einander, leihen sich gegenseitig Bleistift und
Radiergummi und notfalls teilen sie auch ihre Jause mit einem, der
seine vergessen hat.
Wenn ihr eine Fort- und Weiterbildung braucht, kommt zu mir in die
Schule und lernt von denen, die ihr so abwertet.
Wenn ein Mensch von A nach B will, kann ihn einiges daran hindern:
das Fortbewegungsmittel, der Fahrer des Fortbewegungsmittels, der
fehlende Treibstoff, die schlechte Fahrbahnbeschaffenheit,....
Genauso ist es bei der Begründung für die unzureichenden Ergebnisse
zur Bewältigung unserer - fiktiv und von uns gesetzten -
Bildungsstandards.
Aber ihr behauptet die Schule ist schuld.
Die ersten 6 Lebensjahre des Kindes,
das finanzielle Aushungern der "bildungsfernen" Gesellschaftsschichten,
das gering ausgeprägte Eigenengagement sich mit den eigenen Kindern zu
beschäftigen, unsere Entwicklung zur liberalen
Leistungsgesellschaft,....
spielen offensichtlich keine Rolle.
Wenn 550 Millionen Euro im Jahr 2016 im Bildungsbudget fehlen,
ist es halt viel einfacher das Feindbild LehrerInnen zu bedienen und
diese Berufsgruppe zur Verantwortung zu ziehen
als eine vernünftige, nachhaltige Politik zu betreiben.
Stadler Michael
Obmann von hope